Ein glücklicher Umstand sorgte dafür, dass die mittelalterlichen Wandbemalungen der Kirche von Groß Gievitz ans Tageslicht gelangten.

Die Geschichte der Kirche im 20. Jahrhundert ist eng verknüpft mit Pastor Werner Bollmann und seiner Frau Wera, geb. Bennöhr. Ohne ihr Zutun wären die Wandmalereien aus dem 13. Jahrhundert möglicherweise nie enthüllt worden. Werner und Wera Bollmann heirateten 1951.
Bevor Wera Bollmann mit ihrem Mann nach Groß Gievitz ging, hatte sie Germanistik studiert und einige Monate an einer Dorfschule in ihrem Geburtsort Rothenmoor unterrichtet.
In Groß Gievitz war Werner Bollmann von 1953 bis 1995 im Amt. Wera Bollmann brachte sich das Orgelspielen selber bei und wirktee viele Jahre als Hilfsorganistin in Groß Gievitz. Sie berichtet, dass ihr Mann immer einen „Blick für Gebäude“ hatte und sich für Architektur interessierte. Gemeinsam engagierten sie sich dafür, die Geschichte der Kirche und ihrer Fresken aufzuarbeiten.
Schon 1958 entdeckte Werner Bollmann einen sich lösenden Kalkfleck an der Wand der Kirche und informierte die Denkmalpflege. Wera Bollmann erzählt in einem Interview von 2021, dass die zu diesem Zeitpunkt noch

siebenköpfige Familie regen Anteil an der Freilegung der Fresken nahm: „Wir haben da immer mitgeguckt, auch die Kinder auf dem Gerüst.“ Frau Bollmann brachte insgesamt neun Kinder zur Welt. Sie ist Autorin verschiedener Broschüren über die Feldsteinkirche und über die Grafenfamilie von Voß.

Im Jahre 1964 legte die Denkmalpflege die mittelalterlichen Fresken nach und nach frei. Zum Vorschein kamen verschiedene sakrale Wandmalereien, die kurz nach der Erbauung der Kirche angefertigt worden waren und somit aus dem 13. Jahrhundert stammen. Zu dieser ersten Ausmalung gehören vier Kreuze im Chorgewölbe
(Chor = Altarraum), Christus am Chorbogen, aber auch Fabelwesen, Ranken und farbige Rosetten. In einer zweiten Ausmalung, die wenige Jahre später erfolgte, kamen eine Kreuzigungsgruppe, Christus als Weltenrichter sowie ein Heiliger, möglicherweise Petrus, in der Rundung des Chorbogens hinzu.
Die Waldmalereien wurden wahrscheinlich um 1700 im Auftrag des Grafen Ernst Christoph von Voß zum ersten Mal weiß übertüncht, da sie nicht mehr dem Zeitgeschmack entsprachen. Die barocke Ausstattung der Kirche geht ebenfalls auf diese Zeit zurück. Eine weitere Übertünchung der Wände erfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts.
Weihekreuze
An verschiedenen Stellen in der Kirche befinden sich sogenannte Weihekreuze. Diese bezeichnen Orte, an denen Kirchen bei der Weihung gesalbt und mit Weihwasser besprengt werden; in der Regel sind es entweder zwölf (für die

Anzahl der Apostel) oder vierzehn Kreuze (für die Stationen des Kreuzweges). Nicht alle Weihekreuze sind heute erhalten. Eines ist von Lilien umgeben; wahrscheinlich wurde darunter ein Behältnis mit Sakristei-Gegenständen nachgeweiht.
Christus am Kreuz mit den Evangelisten
In der ersten Ausmalung wurden nur die vier Kreuze und die Ornamente angefertigt. Später ist Christus als Weltenrichter hinzugefügt worden, umgeben von einer mandelförmigen Aura (= Mandorla). Um ihn herum befinden sich die Symbole der vier Evangelisten: oben links ein Engel (Matthäus), oben rechts ein Adler (Johannes), unten links ein Löwe (Markus). Der Stier für Lukas (unten rechts) ist nur noch als Rest vorhanden. Hinzu kamen Maria (links) und Johannes der Täufer als Fürbitter (rechts), Die Spruchbänder, die sie in ihren Händen halten, sind leider heute nicht mehr zu entziffern.
Fisch und Löwe

Die Deutung dieser Fabelwesen gibt die meisten Rätsel auf. Da die Empore nicht von Anfang an existierte, sodass die
Besucher direkt an die Kirchendecke schauen konnten, kam der Zeichnung wahrscheinlich eine größere Bedeutung zu, als man heute annehmen würde.
Es ringen vermutlich der getaufte Mensch (auf dem Fisch) und der Teufel (der Löwe mit den roten Haaren) um die kleine Seele, die aus der Brust des Löwen kommt. Die slawische Mütze des Löwen könnte auch auf das wendische Heidentum hindeuten. Bei dem „Schatten“ handelt es sich um eine Vorzeichnung, die nicht beendet wurde.
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(1) Christus am Chorbogen, umgeben von zwei Engeln und einer zwölfblättrigen Rosette
(2) Chorgewölbe mit Christus am Kreuz
(3) Weihekreuz
(4) Kampfszene aus dem westlichen Schiffsjoch







